Vom Baum und der Nuss

Im August durfte ich eine Trauung unter einem Nussbaum leiten. Bäume laden uns irgendwie automatisch zum Verweilen ein. Ein Ritual unter oder bei einem Baum zu gestalten ist immer eine besonders schöne Erfahrung.

Rituale in der Natur zu feiern ist generell sehr kraftvoll (und tröstlich, wenn es sich um einen Abschied handelt). Die Natur zeigt uns eindrücklich auf, dass es eine Zeit gab vor uns, so wie es eine Zeit nach uns geben wird. Steine und Bäume, die wir sehen, waren schon lange vor uns da und werden auch noch lange nach uns hier sein. Dies kann uns Halt und Orientierung geben. Es kann einem Kraft spenden, wenn man bedenkt, was zum Beispiel ein 300 Jahre alter Baum schon alles erlebt und gesehen hat. Wie viele geschichtliche Ereignisse an solch einem Baum vorbei gegangen sind und noch immer steht er da. Stark und verwurzelt mit der Erde, gegen oben leicht und beweglich. Und so lernen Bäume uns, stark und verwurzelt zu sein aber gleichzeitig auch leicht und beweglich zu bleiben. Ein Baum kann uns aber auch wunderbar unsere Lebensreise vor Augen führen. Die Lebensreise die zart beginnt und dann richtig gross und stark werden kann, wächst, gedeiht, sich verwurzelt und festigt. Bäume wachsen, jeder individuell. An den Jahrringen kann man sehen, wie ein Baum gewachsen ist. Ist er ganz gerade nach oben gewachsen oder musste er ausgleichen, weil er zum Beispiel an einer Hanglage ist? Jedes Lebensdetail ist festgehalten, auch bei der Rinde, am Stamm. Und so gleicht kein Baum dem Anderen. Weder in der Statur noch in der Höhe. Und so verschieden wie diese Bäume, so verschieden sind auch die Lebensreisen von uns Menschen.

Nun aber zurück zum Nussbaum. Laut Baum Mythologie hilft der Geist des Walnussbaumes den Menschen, sich für neue Sichtweisen zu öffnen. Diese Eigenschaft ist natürlich auch in einer Ehe sehr vorteilhaft. Wenn man auch mal eine andere Perspektive einnehmen kann, hilft es oft, einen «Knorz» zu lösen. Verständnis aufzubringen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Einander zu unterstützen. Miteinander vorwärts zu kommen. Wege zu finden.

Dem Ehepaar, das unter dem Nussbaum geheiratet hat, habe ich eine goldene Walnuss geschenkt. Sie könnte für den goldenen Mittelweg stehen. Für den Kompromiss, den man oft eingeht und eingehen muss im Zusammenleben. Zudem gab ich ihnen folgendes mit auf den Weg: Die Nuss kann als Zeichen verwendet werden, indem ihr sie zum Beispiel auf den Esstisch legt, wenn es etwas für euch Wichtiges zu besprechen gibt. Etwas, das euch im Innersten beschäftigt, im goldenen Kern könnte man sagen. Denn so eine Nuss hat ja einen inneren Kern und eine äussere Schale – wie wir Menschen auch. Wenn also der innere Teil mal mit dem äusseren Teil ringt oder einfach etwas zur Sprache kommen muss, könnte die Nuss auf dem Tisch ein Zeichen für den anderen sein: Lass uns reden. Ich möchte wieder mehr mit dir in Verbindung sein. Ich brauche dich. Oder salopp gesagt: ich habe eine Nuss zu knacken….