Äm Tüüfel sini Gschicht

Mein Sohn wollte dieses Jahr als Teufel an die Fasnacht. Dies hat seinen Grund: Wir wohnen in Wil im Kanton St. Gallen – Fasnacht ohne die «Wiler Tüüfel» ist hier undenkbar.

Die erste Erwähnung der Wiler Tüüfel geht auf das Jahr 1595 zurück. Die Fasnacht selber gibt es noch viel länger. Denn die Begründung der sogenannten «Fastnacht» als «Austoben vor der Fastenzeit» ist die christliche Umdeutung eines Brauches, der viel älter ist und weit in die vorchristliche Zeit zurückreicht. Tatsächlich liegen die Ursprünge der Fastnacht in altheidnischen Winter- und Frühlingsfesten – in Festen, die einerseits dem Totenkult, andererseits dem Vegetationskult, der Auferweckung der Fruchtbarkeit galten.

Ein wichtiges Element der Fasnacht ist seit jeher die Vermummung. Sie geht wahrscheinlich auf einen archaischen Totenkult zurück. Im Gegensatz zu heute waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit bei den Masken jedoch weder Kreativiät noch Vielfalt gefragt, sondern es gab nur ganz wenige, genau festgelegte Maskentypen. Einer der wichtigsten Maskentypen war – nicht nur in Wil – der Teufel, der sich in dieser Ausschliesslichkeit in Wil jedoch länger als in den meisten anderen Orten halten konnte. Es gibt wohl kaum einen Wiler, der in seiner Jugend nicht irgendwann auch als Tüüfel getobt hat. Seit einigen Jahren hat sich dank der «Tüüfels-Gilde» dieser Brauch wieder verstärkt. In der von ihr veröffentlichten Wiler Fasnachtsfibel habe ich dann auch einige der hier ausgeführten Informationen gefunden. Vermutlich stellten die Teufel ursprünglich Totendämonen dar. Man ahmte sie in den Masken nach, beschwor und bannte sie zugleich. Darüber hinaus hatte diese Darstellung wohl auch einen psychologischen Effekt: Indem man das, wovor man sich fürchtete, fassbar machte, überwand man seine Angst.

Offensichtlich gehörten zu den Fastnachtsumzügen auch seit jeher Lärm und Musik. In den altheidnischen Fruchtbarkeitsriten diente der Lärm dazu, die schlafende Vegetation aufzuwecken.

Nach der Reformation ist die Fastnacht in den evangelischen Orten (mit der grossen Ausnahme von Basel) weitgehend ausgerottet worden, mit der Begründung, sie sei ein heidnischer, teuflischer Brauch.

Nun gut –
der Hintergrund der Fasnacht und der Wiler Tüüfel hat also eine Jahrhundertalte Tradition. Völlig neu hingegen ist, dass ich bastle… Klar, mit Nachwuchs entdeckt man gewisse Fabrikations-Fähigkeiten wieder ganz von alleine…WC-Rollen anmalen, zerschneiden, ankleben, und dann wieder von vorne etc. Aber im grossen Stil etwas anfertigen? Eine Fasnachtsmaske? Für mich als handwerklich nicht sonderlich begabte Person schwer vorstellbar. Fast schon ein Ding der Unmöglichkeit. Meine Skepsis daher gross. Gleichzeitig ist mir sehr bewusst, dass man immer mal wieder aus seiner Komfort-Zone muss. Etwas wagen, was man sich eigentlich nicht per se zutraut.

Gesagt, getan. Ich habe gebastelt. So richtig. Stundenlang gekleistert, angemalt und geleimt. Mit meinem Sohn. Mit riesiger Unterstützung meiner lieben Frau Nachbarin. Eine handwerklich sehr geschickte und talentierte Person. Eine Künstlerin. Im Gegensatz zu mir. Und ja. Ich habe es geschafft. Natürlich hatte ich unterwegs meine Zweifel und Momente der Kapitulierungslust. Aber: Ich bin stolz. Auf meinen Sohn. Seine Ideen. Und meinen eigenen Schupf aus der Komfortzone. Hu ä Lotsch!

Wissen Sie, was das heisst? Auch das steht in der Wiler Fasnachtsfibel der Teufelsgilde. Der Narrenspruch „Hu ä Lotsch“ heisst so viel wie «schau diese Maske»! Lotsch ist ein anders Wort für Maske, Larve oder einfach verkleidete Person. Und «Hu ä» wird als «hei lueg» oder «schau» übersetzt.