Unsere Vorfahren, die Urmenschen, haben im Einklang mit der Natur gelebt. Seit Menschengedenken gibt es Ritualplätze in der freien Natur, sogenannte Kult-Orte, an denen sich die Menschen immer wieder mit der Urkraft des Lebens verbunden und so ihre Seele genährt und ihre Spiritualität gelebt haben. Die Leute wussten früher, dass sie in der Natur weiterleben werden, wenn sie sterben. Dies schuf eine Verantwortung für das Hier und Jetzt – eine Integration in die Naturzyklen und nicht eine Dominanz zu Lasten der Natur. «Das älteste Buch der Welt ist die Natur», pflegt Gisula Tscharner, eine Pionierin der freien Ritualgestaltung, zu sagen.
Dass die Natur der Ursprung von uns Menschen ist, das ist auch meine Überzeugung. Lange Zeit jedoch war mir nicht sonderlich bewusst, dass auch wir in unserem Leben einen Zyklus durchlaufen – mehr noch – dass wir jedes Jahr aufs Neue vom Zyklus der Natur, den Jahreszeiten, beeinflusst sind. Ich habe mich nicht damit befasst und mir auch keine Zeit genommen, darüber nachzudenken oder darauf zu achten. Ich war der landläufigen Meinung, dass wenn man im «Saft» ist, man 365 Tage im Jahr durchpowern kann. Nun gut, sich am Wochenende und in den Ferien eine Pause zu gönnen, fand ich in Ordnung. Aber nicht zwingend. Und doch kam diese Pause früher oder später meist gezwungenermassen: durch eine Knockout-Grippe just während der Weihnachtspause….oder so ähnlich.
Irgendwann wurde ich achtsamer. Ich gab den Gefühlen, den Zeichen des Körpers, meinen Bedürfnissen und meiner Seele mehr Platz. Und erkannte mit der Zeit wieder die Verbundenheit mit der Natur und den Jahreszeiten. Sehr natürlich, naheliegend – und eigentlich: total einfach.
Es gibt Zeiten (sei es im Winter oder an einem simplen Sonntag), da ist mir nach Rückzug zu Mute, ich will mich mehr nach Innen fokussieren, Wärme spüren, Geborgenheit, mein Energielevel geht zurück, ich brauche mehr Schlaf und darf mich in Geduld und Untätigkeit üben. In der Ruhe liegt die Kraft.
Dann kommt der Frühling und mit ihm die Zeit, in dem ich wieder «tätiger» werde. Noch nicht mit voller Kraft, aber ich erwache langsam. Oft habe ich grosse Lust Platz zu schaffen, muss Ballast loswerden, aufräumen und mir meist noch einen Schubs geben für die «grossen Würfe».
Im Sommer dann die Fülle – alles spriesst und sprudelt, ich spüre Lebensfreude pur. Leichtigkeit breitet sich aus. Tatkraft. Auf Reisen, beim gemeinsamen Essen mit Familie und Freunden, am Wasser, selbst im Schatten ist es hell und farbenfroh. Ich bin «im Saft».
Bis mich der Herbst umhüllt, die Intensität der Farben wird mir nochmals bewusst, ich sehe klarer, ein Ende zeichnet sich ab – oder auch ein Ernten – ich freue mich langsam wieder auf den Rückzug, die Dynamik wird wieder nach Innen gelenkt und eine leise Melancholie befällt mich….
So sieht das in etwa bei mir aus, wenn ich diesen natürlichen Zyklus zulasse. Natürlich ist das Empfinden für jeden Menschen anders. Einzig wichtig ist aber genau dieses Empfinden – das Wahrnehmen, Erleben und der grösste Schritt: Das Akzeptieren, dass nicht alle Tage Sommer ist und wir vor Tatkraft nur so strotzen…
Ich für meinen Teil liebe diese Vielfalt der Jahreszeiten und Gefühlslagen sehr. Unterdessen erkenne, begreife und vertraue auf dieses Werden und Vergehen, dem auch wir heutigen Menschen uns nicht entziehen können.